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Demokratie braucht die Parlamente, gerade jetzt!

Corona hat in den letzten zwölf Monaten, bei uns in Darmstadt-Dieburg viel verändert. Die Abläufe in unserem bisherigen Leben mit der Familie, im Urlaub und im Beruf. Sie sind Vergangenheit und kommen 2021 und 2022 für sehr viele nicht wieder. Persönliche Freiheiten gehen verloren. Die Parlamente und Kommunalverwaltungen halten still , weil Superwahljahr ist. Wann ändert sich das ?

Eine Diskussionsbeitrag von Falko-Holger Ostertag und Peter Löwenstein

2019 kommt nicht wieder

Corona hat in den letzten zwölf Monaten, auch bei uns im Landkreis, viel verändert. Die Abläufe in unserem bisherigen Leben mit der Familie, im Urlaub und im Beruf. Sie sind Vergangenheit und kommen 2021 und 2022 für sehr viele nicht wieder.

Die Beeinträchtigungen durch Corona werfen unser Leben durcheinander, und wir müssen große Freiheitsverluste im Arbeitsleben, Zuhause und mit Freunden und der Familie akzeptieren. Einschränkungen, die uns allen zwar nicht gefallen, aber als Prävention gegen Corona vielfach wohl notwendig sind.

Viele von uns können nur noch bis Ende der Woche planen, weil unsicher ist was in der übernächsten Woche gelten wird. Wir können nur vermuten, was im Berufsleben, mit der Schule oder dem Besuch bei Freunden weiter passiert doch sicher wissen wir es nicht. Bei vielen zerbröseln zudem Lebensentwürfe oder das, was sie sich über Jahre aufgebaut haben. Unser Zusammenleben im Ort fühlt sich fremd an.

Die Corona Regeln der Politik

Von der Politik wird für uns Alle neu definiert, wie wir unser privates Leben noch gestalten dürfen. Viele Regelungen und Verordnungen werden erlassen, die sich im Nachhinein als schlecht abgestimmt herausstellen. Immer neue Regelungen und wieder verworfene Regelungen schützen uns sehr wenig vor der Wucht der Pandemie.

Die Einigkeit unter den Bundesländern ist gering und viele Entscheidungen werden mit Blick auf die kommenden Landtags- als auch Bundestagswahlen getroffen. Dies führt vielfach zu Ärger und gar Wut darüber bei Eltern, Lehrern und vor allem in den Pflegeberufen.1

Die Theologin Marion Käßmann fordert mehr Familienexperten bei Entscheidungen über Corona-Maßnahmen mitreden zu lassen. „Sonst werden Maßnahmen verabschiedet, die Familien endgültig fix und fertig machen.“

Die Mehrheit von uns versteht, dass Entscheidungen getroffen werden müssen, die mit Einschränkungen verbunden sind. Einschränkungen, die nicht schön sind, aber als notwendig erscheinen. Doch es fehlt eine Stringenz in der Umsetzung eines Großteiles dieser Maßnahmen und dieser Mangel führt zu einem immer längeren Ausfall unserer individuellen Freiheiten.

Dieses Hin und Her von Regelungen darf so nicht länger weitergehen. Kinder und Kleinkinder werden durch die restriktiven Maßnahmen in ihrer Sozialisierung gehemmt. Das Lernen durch miteinander spielen und die sich daraus entwickelte Persönlichkeit wird ausgebremst.

Auch familiäre Bindungen zwischen Eltern und Kindern mit eigenem Hausstand werden durch die Regelungen nun schon lange eingeschränkt und geraten ins Schwanken. Vieles ist verständlich, aber das Chaos an Regelungen ist auf die Dauer so nicht länger tragbar, wenn soziale Bindungen erhalten und weitergegeben werden sollen.

Junge Menschen haben das Recht auszuprobieren, was gehen könnte, was Spaß macht und für die eigene Zukunft vielleicht Sinn macht. Doch die Regelungen zu Corona lassen hierfür zuwenig Raum. Was bleibt, sind Treffen im Park oder irgendeinem Raum mit 4 Wänden oder irgendeine Hütte im Freien, zu der ein Schlüssel organisiert werden kann. Dies genügt Vielen nicht und deren Frust wächst.

Doch bei allem Recht auf individuelle Freiheit: Der Schutz der Allgemeinheit erfordert aktuell Restriktionen.

Die Frage, die sich bei alldem stellt ist jedoch: Wie soll dieses Durcheinander von Regelungen Menschen über längere Zeit überzeugen?

Was ist davon wirklich sinnvoll, wenn ein Blick über die Kreis- oder Ländergrenzen hinaus offenbart, dass woanders andere Regelungen gelten, und die von politischen Entscheidern dafür angeführten Gründe auch von Wissenschaftlern mit einem „nicht zu Ende gedacht“ bewertet werden? Wenn laufend neue Corona Regelungen von Verwaltungsgerichten aufhoben werden?

Aushang an Apotheke
Aushang an Apotheke

Eine ganze Generation von Alten wird in den Alten- und Pflegeeinrichtungen aktuell mit voller Wucht von der Pandemie getroffen. Bis zum Jahresende werden hier im Landkreis mehrere Hunderte der Senioren (Alter 60+) gestorben sein. Sie sind mit 2/3 der Opfer die am stärksten Betroffenen, vor allem in den Altenwohn- und Pflegeeinrichtungen in privater Regie und in den Einrichtungen des Kreises ².

Der Hessische Rundfunk kommentiert: „Ältere Menschen gehören zu den Risikogruppen, was eine mögliche Corona-Infektion betrifft. Das ist seit Frühjahr 2020 bekannt. Trotz der bitteren Erfahrungen in der ersten Corona-Welle ist es Politik und Betreibern auch in der zweiten Welle nicht gelungen, die Heime vor dem Erreger zu schützen. Derzeit grassiert das Virus in jedem vierten hessischen Alten- und Pflegeheim. Die Zahl der infizierten Bewohner steigt: Derzeit tragen laut Regierungspräsidium über 1.200 Bewohner den Erreger in sich. Das sind 20 Prozent mehr als in der Vorwoche und doppelt so viele wie im April 2020, als die erste Welle ihren Höhepunkt erreichte.“ ³

Das Leid für die betroffenen Familien und Hinterbliebenen ist schwer. Dieses Leid trifft unsere Mitte und wird an der Kommunalpolitik als eine schwere Last hängenbleiben.

Viele Solo-Selbstständige, Gastronomen und Ladenbetreiber haben geduldig gewartet und mittlerweile alles gegeben. Viele Reserven sind verbraucht. Die Kulturbetriebe und Clubs sind nicht nur angezählt, sie stehen vor dem Aus. Ebenso sieht es bei den Zulieferanten für diese Betriebe aus.

Das Vertrauen in die Politik schwindet immer mehr

Wir erleben gegenwärtig einen Vertrauensverlust vor allem der jungen Erwachsenen, der Eltern und bei Lehrern gegenüber Politik und Ämtern. Informationen über Corona-Infektionen an den Schulen werden nur unzureichend an die Eltern weitergegeben. So wird von Eltern in Dieburg kritisiert, dass es in einer Klasse oder im Jahrgang Corona-Infektionen gab, und Eltern dies mal über ihre Kinder, mal durch Elternvertreter oder über die Schulleitung erfuhren. Noch härter sind Altenheime betroffen. Da brechen Pfleger:innen weinend zusammen am Ende ihrer Kräfte.

Von vielen Eltern wird die aktuelle Situation als Chaos wahrgenommen. Wie soll ein Hygienekonzept Vormittags in dicht gedrängten Bussen und Bahnen auf den Weg zur Schule funktionieren?

Das geht nicht! Wirksame Lösungen dazu werden vom Gesundheitsamt, dem Schulamt oder dem Landrat bis heute nicht angeboten.

Von Wissenschaftlern empfohlene Maßnahmen wie z.B. mobile Raumluftfilter für Schulen wurden als Antrag im Kreistag offensichtlich danach entschieden, von welcher Partei der Antrag kommt. Wenn die gegnerische Partei den Antrag gestellt hat, wird der Antrag in Sackgassen geschickt, wo erst mal nix passiert. Dafür werden eigene Aktivitäten zum gleichen Thema hektisch gestartet und stolz präsentiert. Das kostet Zeit.

Was bringt uns die Impfung?

Mehrere Impfstoffe haben nun eine Zulassung erhalten, doch sie müssen, auch für Deutschland, erst in ausreichender Menge produziert und sodann in die jeweiligen Impfzentren transportiert werden. Erst dann kann dort die Impfung (im Abstand von zwei bis sechs Wochen zweimal) erfolgen. Impfungen bei denen, die sich impfen lassen wollen. Trotz des dann bereitstehenden Impfstoffes sind die Aussichten auf eine entscheidende und durchschlagende Wirkung gegen die Pandemie durch Impfungen alleine in 2021 als gering einzustufen, denn eine ausreichende Bereitstellung von Impfstoff fehlt. Vielmehr droht ein massiver Kontrollverlust des Gesundheitswesens, wenn wir alleine auf immer wieder verzögerte Impfungen und das Lockdown Chaos setzen.

Wir leben die nächsten Monate hart am Limit und die kommenden zwei Jahre mit der ständigen Herausforderung, wie glückliches Leben mit den vielen Freiheiten, wie wir es kannten, überhaupt noch gehen soll. Corona wird die nächsten Jahre nicht wieder verschwinden – trotz Impfung. 4

Eine planbare Zukunft im Job, in der Freizeit und vor allem den sozialen Einrichtungen wie Schule, Kindergarten und Wohnheim erscheint so für Viele ungewiss.

Stillstand der Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung tauchte Anfang 2020 gefühlt ab und war/ist für die Bürger kaum noch ansprechbar. Terminabsprachen wurden, mit Verweis auf den Covid-Virus, gar nicht erst angeboten und auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Gleiche war und ist bei den Bearbeitungszeiten für Anträge jeglicher Art festzustellen. Die öffentliche Verwaltung steht bewegungslos still. Große Projektvorhaben wie Kreishaus oder die Schulrochade in Dieburg scheinen gestoppt zu sein.

Die Kommunalpolitik des Kreises stellt kaum Leitplanken zur Bewältigung der Corona Pandemie auf. Sie scheint vielmehr bemüht, ihren Kontrollverlust und ihre mangelnde oder gar fehlende Voraussicht im eigenen Handeln seit dem letzten Frühjahr und Sommer zu verbergen. An politischen Vordenkern fehlt es offensichtlich in der Kreistagsfraktionen.

Klar ist: Jeder Landrat wäre mit den Problemen alleine gelassen wahrscheinlich überfordert. Wie zukünftig unser kommunales Zusammenleben in der Schule, in sozialen Einrichtungen und mit der Verwaltung überhaupt noch passieren kann ist allerdings ein Rätsel geworden.

Wir brauchen kein weiteres Abwarten, sondern den Diskurs darüber was kommen soll. Die Frage für die Kreisspitze muss lauten: Wie bekommen wir es hin, dass der Verwaltungsapparat nicht nur da ist, sondern auch als Servicestelle für die Bürger fungiert?!

Im Landkreis Darmstadt-Dieburg haben wir das Pech, dass 2021 die Kommunalparlamente und hier im Landkreis der Landrat neu gewählt werden und zudem eine Bundestagswahl stattfindet.

Pech, weil die Erfahrung aus früheren Wahlkämpfen uns lehrt: Die Kandidaten machen sich Sorgen um ihren eigenen guten Auftritt für die bevorstehende Wahl. Eigentlich verständlich.

Doch wo bleiben die notwendigen, parteiübergreifenden Kooperationen der politischen Entscheider in Zeiten der Krise? Eine solche Kooperation scheint derzeit unsere einzige Chance zu sein, um dem Vertrauensschwund im Landkreis und den Kommunen etwas entgegen zu setzen!

Gerade in der jetzigen Zeit brauchen wir in der Kommunalpolitik verantwortungsbewusste und handelnde Politiker. Politiker, die die Verwaltung nicht sich selbst überlassen. Politiker die bereit sind, der kommunalen Verwaltung durch gemeinsame Entscheidungen klare Vorgaben für ihre Arbeit und Handlungen zu liefern.

Kommunale Parlamente dürfen die dringend notwendigen Überlegungen zu möglichen Lösungen nicht verweigern, nur weil Wahlen sind. Wir können, nein wir dürfen die in Wahlkampfzeiten erstarrten Verwaltungen nicht länger sich selbst überlassen, sondern sie an die Hand nehmen. Wir brauchen in den Kommunen von Parteien und Wählerlisten im Parlament beschlossene Lösungen. Gegen Corona zählt jede Woche!

Dies müssen wir gemeinsam hinbekommen, damit die Bürger den Willen zu gemeinsam getragenen Lösungen im kommunalen Parlament und der kommunalen Verwaltung auch in den Wahlkampfzeiten des Superwahljahres 2021 erkennen können.

Quellennachweis:

1) Beitrag in der Bild am Sonntag 17.1.2021

2) Quelle: RKI, Stand am 1.2.2021: Altersgruppe 60+ mit 201 Opfern im Landkreis Darmstadt-Dieburg
https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/page/page_1/

3) Hessenschau: https://www.hessenschau.de/gesellschaft/zwei-drittel-der-corona-toten-im-november-betreffen-altenheime,corona-altenheim-tote-100.html

4) Lars Fischer in Scilogs bei Spektrum https://scilogs.spektrum.de/fischblog/warum-covid-19-nie-wieder-verschwinden-wird/

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